Donnerstag, 16. Oktober 2008

Die Auschwitzkeule

und wie sie entdeckt wurde.

Am 11. Oktober 1998 wurde in Frankfurt am Main eine der bedeutensten Funde in der Geschichte Deutschlands gemacht. Unter allgemeiner Begeisterung grub Dr. Martin Walser in der Paulskirche die Auschwitzkeule aus. Seit dieser Entdeckung, die in ihrer Bedeutung der Entdeckung Trojas in nichts nachsteht, hat die Auschwitzkeule einen Siegeszug durch ganz Deutschland angetreten. Heute, zehn Jahre später, gibt es kaum noch eine Person in Deutschland, die sich vor dieser Auschwitzkeule nicht fürchtet. Was vor zehn Jahren in Walsers Worten noch so klang: „Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule“, hört sich heute bei dem TAZ-Journalisten Bodemann wie folgt an: „Vor allem in Deutschland kann der Antisemitismusvorwurf tödlich sein, und so hüten sich viele Juden wie Nichtjuden davor, den Mund aufzumachen.“

Die Auschwitzkeule hat gesiegt! Überall in Deutschland sitzen verzweifelte Menschen, die gerne etwas Kritisches sagen würden, zum Beispiel gegen Israel, aber aufgrund der über ihnen schwebenden Auschwitzkeule daran gehindert werden. Millionen mundtot gemachte Bürgerinnen und Bürger sitzen in den Exilen ihrer Deutschen Wohnzimmer und haben keine Möglichkeit, der Wahrheit Gehör zu verschaffen. Deutschland ist ein in Knechtschaft gehaltenes Land, in dem Israel nicht kritisiert werden darf und in dem jede Form der Kritik an die politische Ausnutzung des Holocausts auch und gerade durch die Juden in Deutschland und der ganzen Welt im Keim erstickt wird. In keiner Zeitung Deutschlands finden sich auch nur kleinste Hinweise auf politische Verfehlungen Israels und Norman Finkelsteins Buch „Die Holocaust Industrie“ ist in Deutschland de facto nicht käuflich zu erwerben.

Halt!
Stehengeblieben!
Achtung!

Spätestens jetzt gilt es, diese weltweit berühmt geworden deutschen Worte zu brüllen, diesmal aber, um auf Fakten hinzuweisen.

Das soeben beschriebene Horrorszenario gibt es nicht, im Gegenteil: Israelkritik findet sich in jeder deutschen Tageszeitung und das nicht nur ab und zu, sondern fast wahrhaft täglich. Die Angst vor Israel ist in der Bevölkerung nicht nur sehr hoch, sondern sie wird auch laut und gut vernehmlich artikuliert. 65% der Deutschen erklärten laut einer durch die ZEIT am 4.11.2003 veröffentlichen Umfrage der EU, dass Israel die größte Gefahr für den Weltfrieden darstelle. Die Zeitungen kommen zudem nicht nach, die Leserbriefe mit israelkritischen Inhalten nachzudrucken und Norman Finelstein wird zur besten Sendezeit zu Sabine Christiansen eingeladen, während sein Buch in den Bestsellerlisten Deutschlands mindestens so schnell nach oben klettert, wie später das Buch „Die Israel Lobby“ von John Mearsheimer und Stephan Walt, in dem behauptet wird, dass es keine andere Lobby sonst geschafft hätte, die US-Außenpolitik so stark vom nationalen Interesse abzulenken, während sie die politischen Themen kontrolliert und Kritik gegenüber Israel zum Schweigen bringt.

Die Inhaltsangabe zur „Israel Lobby“ trifft übringens in ihrem Wesen auch auf „Die Protokolle der Weisen von Zion“ (um 1900) zu, einer antisemitischen Schmähschrift, die zur Standartlektüre jedes zünftigen Antisemiten gehört. Allerdings geht dieser Urfaust antisemitschen Gedankenguts noch etwas weiter und macht die Juden für alles Mögliche verantwortlich, zum Beispiel für die Demokratie, den Liberalismus, alle Wirtschaftskrisen, Kriege, Revolutionen und natürlich den Antisemitismus selbst. Da in diesen Protokollen auch behauptet wird, die Juden würden U-Bahn-Stationen finanzieren, um in den Schächten dann Bomben hochgehen lassen zu können, ist dieses Buch natürlich etwas interessanter als „Die Israel Lobby“, wodurch es auch zu erklären ist, dass „Die Protokolle der Weisen von Zion“ als Fernsehserie unter anderem in Ägypten (2002) und im Libanon (2004) gezeigt wurden, während es in den palästinensischen Autonomiebehörden in der 10. Jahrgangsstufe gelesen wird, was wiederum erklärt, warum es die Hamas-Bewegung, die 2006 die Wahlen gewann, als Begründung in ihre Charta im Artikel 32 aufgenommen hat.

„Die Protokolle der Weisen von Zion“ sind auch in Deutschland käuflich zu erwerben, wenn auch nicht so leicht wie beispielsweise „Die Israel Lobby“ oder „Die Holocaust Industrie“, die ja in allen Deutschen Sachbuchregalen in der Rubrik Bestseller zu finden sind. Wer die Protokolle lesen möchte, muss sich schon etwas mehr anstrengen. Es sei hier nur ein Besuch bei der Frankfurter Buchmesse empfohlen. Dort wurde 2005 am Stand des Iran das Buch in seiner von der staatlichen „Islamic Propaganda Organisation“ herausgegebenen Fassung unter dem Titel „Jewish Conspiracy“ angepriesen.

Wir fassen zusammen: Die deutschen Bücherregale schwappen vor lauter Israelkritik über, das deutsche Volk belehrt mehrheitlich und regelmäßig laut vernehmlich Israel, die Leserbriefe mit kritischem Inhalt werden wie selbstverständlich gedruckt und Menschen wie Evelyn Hecht-Galinski, die gerne mal Israel mit Nazideutschland vergleichen, haben im Oktober 2008 von der 28. Zivilkammer des Kölner Landgerichts das Recht bekommen, diese Dinge nicht nur zu sagen, sondern dürfen zudem das Recht für sich beanspruchen, Anderen zu untersagen, sie deshalb Antisemiten zu nennen. Somit ist also nicht mehr der Antisemitismus das Problem in Deutschland, sondern der Antisemitismusvorwurf. Ein geradezu beispielhafter Salto Teutonale, der dazu geführt hat, dass die Mehrheit der Deutschen fest davon überzeugt ist, mundtot zu sein, während sie in Wahrheit andere mundtot macht.

Die Liste der Menschen, die niemand kennt, weil die mundtot sind, ist übrigens lang. Noam Chomsky beispielsweise kennt in Deutschland faktisch niemand! Finkelstein wird seine Bücher in Deutschland auch nicht los. Felicia Langer wird quasi nirgends eingeladen und die Gedichte von Erich Fried liest in deutschen Landen kein Mensch. Mit Schaudern und Zittern möchte man da fragen: Wenn das der Deutsche Mundtod ist, was passiert erst, wenn die Deutschen geschwätzig werden?

Man fühlt sich in Deutschland wie in einem Land, in dem sieben von zehn Menschen behaupten, erst kürzlich von einem Raumschiff entführt worden zu sein. Anstatt nun aber diese sieben Idioten einfach zum nächsten Nina Hagen-Konzert zu schicken, spielen sich die Feuilltonschefs der FAZ und der Süddeutschen Zeitung zu den Robin Hoods der Meinungsentrechteten auf und werfen sich todesmutig zwischen den Leserbriefschreibenden und der Auschwitzkeule.

Bleibt nur die Frage, wer schwingt sie eingentlich, diese Auschwitzkeule? Blöde Frage. Die Antwort haben uns doch schon „Die Protokolle der Weisen von Zion“ gegeben. Der Jude natürlich. Er schwingt die Auschwitzkeule und ist selbst schuld am Antisemitismus! Das wußte schon Opa und seine Söhne und Enkelinnen plaudern es ihm fröhlich nach. Kostprobe gefällig? Gerne. In einem ZDF-Interview aus dem Jahre 2003 sagte Jürgen Möllemann, der ein paar Wochen später mit dem Satz "Heute mache ich meinen Einzelstern" seine letzten Worte sprechen sollte:

„Ich fürchte, dass kaum jemand den Antisemiten, die es in Deutschland leider gibt und die wir bekämpfen müssen, mehr Zulauf verschafft hat als Herr Scharon und in Deutschland ein Herr Friedman mit seiner intoleranten und gehässigen Art, überheblich. Das geht so nicht, man muss in Deutschland Kritik an der Politik Scharons üben dürfen, ohne in diese Ecke geschoben zu werden.“

Es muss aber gar nicht immer nur um Israel gehen, damit irgendjemand einem Juden die Auschwitzkeule in die Hand drückt, nur um sich dann vor ihm auf den Boden zu werfen, um jammernd „nicht schlagen!“ zu rufen, damit seine Freundin endlich mal sieht, was für ein großes Arschloch dieser Jude doch ist.

In einer Debatte um den Bau eines jüdischen Museums in der Altstadt von Köln schaltete sich im Juli 2008 der Chefredakteur des Kölner Stadtanzeigers Franz Sommerfeld in das Gespräch ein und stellte auf prominenter Seite seiner Zeitung fest: „Jeder Versuch, städteplanerische Entscheidungen durch Hinweis auf die deutsche Schuld gegen Kritik zu immunisieren, spielt denen in die Hände, die die Vernichtung der Juden relativieren und auf antisemitische Reflexe spekulieren.“ Das Problem war allerdings, dass nachweislich niemand (nicht mal ein Jude!) diesen Versuch unternommen hatte. Aber was soll's. Zehn Jahre nach der Ausgrabung der Auschwitzkeule durch Dr. Martin Walser in der Paulskirche zu Frankfurt am Main ist die Keule in den Exilen Deutscher Wohnzimmer angekommen und verbreitet dort Angst, Schrecken und vor allem ein um sich greifendes Beleidigtsein.

Hinter jedem Vergleich mit dem Nationalsozialismus, wie berechtigt oder unberechtigt er auch immer sein mag, wird eine persönliche Beleidigung gewittert. Jeder Antisemitismusvorwurf, ob angemessen oder nicht, wird mit der Empörung der Ehrverletzung weit von sich gewiesen. Es ist geradeso als habe das Deutsche Volk, das einst in der Paulskirche die Auschwitzkeule fand, die Macht des notorischen Beleidigtseins von jenen Islamisten gelernt, die am 30. September 2005 die Mohammed-Karikaturen in der Dänischen Jyllands Posten gefunden hatten. Diese Macht des Beleidigtseins inspirierte fanatisierte Islamisten zu weltweiten Protesten, die so professionell durchgeführt waren, mit Flaggenverbrennungen, Gewalttaten und über hundert Toten, dass man annehmen darf, dass jene Islamisten wiederum dies von den Deutschen Pogromen gelernt haben. Eine Hand wäscht halt die andere.

Während fanatische Islamisten also hinter jeder Kritik am Islam und hinter jedem Versuch, dem Propheten Mohammend ein Gesicht zu geben, eine Beleidigung wittern, die die Ehre des Islams verletzt, sehen manche in Deutschland hinter jeder Kritik am Antisemitismus und hinter jedem Versuch, dem Antisemitismus durch Vergleiche mit der Geschichte ein Gesicht zu geben, die böse Absicht der Beleidigung und Ehrverletzung. So wird die Burka des Schweigens, die in einigen Ländern der Welt über Frauen geworfen wird, damit ihre Schönheit nicht an den geilen Blicken der Männer abstumpft über die Deutsche Geschichte geworfen, selbstverständlich mit der gleichen ehrenvollen Begründung, man möchte damit verhindern, dass der Deutsche im Umgang mit der Zeit des Nationalsozialismus abstumpft.

Der Deutsche Goy und die Deutsche Schickse machen sich mit diesem Trick auch zu Opfern des Nationalsozialismus und können so mit den Deutschen Juden und den Deutschen Jüdinnen endlich auf gleicher Augenhöhe diskutieren. Endlich sind alle in Deutschland Opfer und niemand muss mehr einen Juden um seinen Holocaust beneiden. Jetzt haben alle unter den Nazis gelitten. In der Schule wird die neue deutsche Jungend bis heute ständig und immer mit dem Nationalsozialismus gequält. Die Geschichtslehrer Deutschlands deportieren quasi alle Schülerinnen und Schüler mehrfach in ihrem Leben nach Dachau, um sie dort zu zwingen, ein Lager zu besichtigen. Dies nimmt die Jugend verständlicherweise so mit, dass sie ihr Trauma nur noch durch Verdrängung und Abstumpfung überwinden können, weshalb es auch nicht verwundert, dass fast ¼ aller Schülerinnen und Schüler zwischen 14 und 17 Jahren laut einer repräsentativen Umfrage von Alphons Silbermann aus dem Jahre 2000 keine Ahnung haben, was Auschwitz ist.

In Deutschland sorgte der Drang zur Perfektion halt immer schon für Überreaktionen. Der Massenmord wurde schließlich auch in Deutschland perfektioniert; und es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn dort, wo der Massenmord perfektioniert wurde nicht auch die Vergangenheitsbewältigung des Massenmordes perfektioniert werden könnte, und so war es dann auch; man ließ sich halt nicht lumpen: Die Deutsche Vergangenheitsbewältigung war und ist in ihrer Durchführung perfekt und der Deutsche natürlich stolz darauf - so stolz, dass er diese Vergangenheitsbewältigung am liebsten exportieren würde. Unermüdlich wird versucht, die Verganenheitsbewältigung made in germany an die Nationen der Welt zu bringen. Da wird die USA getadelt, weil sie mit den Indianern nicht so vorbildlich umgeht, wie die Deutschen mit den Juden und auch Israel bekommt Nachhilfe in Sachen völkische Aussöhnung, denn es kann doch nun wirklich nicht angehen, dass nicht mal die Juden etwas aus Auschwitz gelernt haben. Aber in Deutschland ist man da nicht nachtragend, im Gegenteil: großzügig gibt der Deutsche Nachhilfe.

Diese Nachhilfe nimmt teilweise die absurdesten Formen an. Ungeschlagen in dieser Reihe absurder deutscher Nachhilfe ist ein Ausspruch von Dr. Martin Walser selbst, der nach dem Fund der Auschwitzkeule in der Paulskirche zu Ignatz Bubis, der es wagte, ihm zu seiner Ausgrabung nicht zu gratulieren, sagte: „Ich habe mich schon mit dem Thema beschäftigt, da waren Sie noch mit ganz anderen Dingen beschäftigt.“ Diesen Satz muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Ignatz Bubis, der 1944 im Zwangsarbeitslager Tschenstochau gefangen gehalten wurde und dessen Vater im Vernichtungslager Treblinka ermordet wurde und dessen Bruder und Schwester durch die Nationalsozialisten vernichtet wurden, mußte sich von Dr. Martin Walser, dessen Eintritt in die NSDAP auf den 30. Januar 1944 fällt und der das Ende des 2. Weltkrieges als Soldat der Wehrmacht erlebte, sagen lassen, wie man mit dem Holocaust umgeht – und zu diesem Zeitpunkt war die Auschwitzkeule gerade erst gefunden.

Heute, zehn Jahre später, ist die Auschwitzkeule fester Bestandteil im Denken der Menschen in den Exilen Deutscher Wohnzimmer geworden. Mal sehen wie es weiter geht.

Wir dürfen gespannt sein.