Montag, 28. Juli 2008

Von Tätern und Opfer

Schweigen,
ach ja, Theaterdirektor Buurmann,

Schweigen (übrigens ein hochinteressanter Film von einem Ihnen wohl nicht bekannten Ingmar Bergman in einer Ihnen sicherlich fremden, also fernen Thematik und Ästhetik), das Schweigen also (Ihnen offensichtlich nur in dem abgedroschenen Hamlet-Zitat geläufig) wäre eine Tugend gewesen, zu der Sie sich längst schon, in Andacht und Verehrung, in Staunen und Ehrfurcht, meinen wenn auch noch so kritischen und gelegentlich mit Aplomb formulierten Zuwendungen gegenüber hätten hinreißen lassen sollen. „Si tacuisses“, heißt es ja, und ich will es Ihnen (sind Sie nach eigenem Eingeständnis doch höchstens einiger Brocken des Arabischen mächtig), auf gut Deutsch wiedergeben: „Wenn du geschwiegen hättest, wärest du ein Philosoph geblieben.“ – Nein, Theaterdirektor Buurmann, lächeln sie jetzt nicht, es wäre mir nicht ein weises, ich müsste es als das Lächeln des Toren wohl ansehen – also gehen Sie in sich und grinsen und plaudern Sie nicht mehr besinnungslos vor sich hin, wie eben eingangs Ihrer letzten, das Peinliche streifenden Wortmeldung um Täter und Opfer, dem jede Weisheit fremd ist.

Den Täter also ehren Sie und heben ihn zuungunsten des Opfers, das Sie eher diffamierend als einen subordinierten Schleimscheißer bezeichnen, der sich jedem Anspruch entzieht, jeder Zivilcourage auch, oder der sich als Wolf mit dem weißen Wollkleid des Opferlammes tarnt – den Täter also inaugurieren Sie, aber, Theaterdirektor Buurmann, Sie sollten doch sehr wohl wissen, dass auf der Bedeutungsebene dieses Wortes, als eine sprachliche Übereinkunft, der Täter mit einem ungesetzlichen, verbrecherischen Tun korreliert, dass der Begriff Täter eine pejorative Konnotation hat und mit dem Handelnden aus Pragmatismus, aufgrund einer ultima ratio oder anderer materialistischer Einsichten nicht gleichzusetzen ist. Also: si tacuisses …

Nun unterstelle ich aber, Sie wollen der Passivität des Opfers (ohne den Zwang dazu irgend in Rechnung zu stellen) den Macher, einen Prometheus also und keinen Prokrustes, gegenüberstellen. Nach Beseitigung Ihrer sprachlichen Schluderei werfen Sie, Theaterdirektor Buurmann, hier aber ein philosophisch-ethisches Problem auf und halten es, nachdem Sie den Hamlet strapaziert haben (der sich als Handelnder nun nicht gerade qualifiziert hat, der jedoch auch nie hätte ein Täter sein wollen – sic!), hier nun also lieber mit Goethe und dessen Faust – ich darf zitieren:

Geschrieben steht: „Im Anfang war das Wort!“
Hier stock’ ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
ich muss es anders übersetzen,
wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erste Zeile, dass deine Feder sich nicht übereile!
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe.
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh’ ich Rat
und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!

Das ist nun eine singuläre Meinung, verehrter Theaterdirektor Buurmann, nicht die schlechteste, nein, keineswegs, das hieße sich an Faust und Goethe zu verheben – aber es ist auch nicht die einzige Meinung, ergo: nicht die Wahrheit. Ich will den Diskurs hier nun nicht zu weit treiben, verweise Sie aber, Theaterdirektor Buurmann, auf die Texte, die Ihnen geläufig sein sollten, auf Schiller oder Shakespeare, auf Macbeth oder Wallenstein – da ist es gerade die Tat, die Täter macht und einem ursprünglich integeren Menschen problematisch dann ist – des Wallensteins Monolog im 1.Aufzug, 4.Szene will ich jetzt doch in Ihr Gedächtnis prägen:

„Wär's möglich? Könnt' ich nicht mehr, wie ich wollte?
Nicht mehr zurück, wie mir's beliebt?
Ich müßte Die That vollbringen, weil ich sie gedacht?
Beim großen Gott des Himmels! Es war nicht mein Ernst,
beschloßne Sache war es nie. In dem Gedanken bloß gefiel es mir!“

Und, Theaterdirektor Buurmann, gestanden Sie mir nicht gerade, dass sie den Drucker zu reparieren tatkräftig geworden seien, ihn aufgeschraubt hätten, dass dieses Gerät nun aber zum Sperrmüll gehöre?!

Doch vom Täter nun zum Opfer: Da schreiben Sie mir, dass ich nach meinem mea culpa das Opfer Ihrer Aggression geworden sei! Lieber Theaterdirektor: Ich habe mich höchstens als das Opfer meiner eigenen Aggression beschrieben, eigentlich aber schrieb ich voller Empathie, dass es mir leid tut, Sie zu meinem Opfer gemacht zu haben.
Sie drehen das nun einfach um 180 Grad zu Ihrem Wohlgefallen und fühlen sich noch wohl dabei?!
Sie fahren eine aufgrund dieser Fälschung billige Retourkutsche und machen mich nun mit einer recht eigenwilligen Analogie zum Nazi! Freund, Ihnen jetzt zu vergeben, fällt schwer.
Sie verunglimpfen, indem Sie Opfer nur im angemaßten Opfergefühl der Nazis gelten lassen, die rechtlos Hingerichteten, die der brutalen Macht Unterlegenen, die Opfer der Kriege und auch der Gaskammern in Ausschwitz …

Theaterdirektor Buurmann, Sie sollten denken und dann handeln oder schreiben oder inszenieren, aber solange dieses Nachdenkliche in Ihnen mir ein Desiderat ist will ich Ihnen trotzalledem zur Seite stehen – denn wenn Sie sich nicht an mir zu reiben suchen oder als Dramaturg Ihr Fiasko erleben, wenn Sie sich hingegen in historischer und auch politischer Analyse bescheiden, scheinen Sie doch ein aufrechter und zur Kritik fähiger Charakter. Dem Dramaturgen respektive Dramatiker aber sei gesagt, dass sein zur Zeit aktuelles Stück wohl voller Sand, doch noch nicht voller Gehalt sei.

An Ihrer Seite bleibend verbleibe ich also
Ihr, Ihnen immer wieder zum rechten Gedanken verhelfender,
Schmiester

PS: Zu einem Ihrer post scripten sei gesagt, dass ich Ihnen ein Praeputium gar nicht zugetraut habe, dass ich Sie unten so unbedeckt gehalten habe, wie oben. Mein Fehler, zugegeben, da ich den Text wohl zu biographisch gelesen habe; aber es drängte sich mir zwischen Skrotum und Praeputium so auf …