Sonntag, 13. Juli 2008

Gehirne am Strand (3) - Kölner Lichter

Hat es Ihnen,
Theaterdirektor Buurmann,
gestern auch die Zornesröte ins Gesicht getrieben?
Waren Sie sogar wieder einem apoplektischen Anfall nahe?
Raste erneut ein Tsunami des Aufbegehrens durch Ihr leider am Strand manchmal zu sehr dösendes Hirn?

Nein, verehrtester Theaterdirektor, nicht weil ich mir als Wiederholungstäter erneut eine Ihrer Sandkasten-Vorstellungen mit einem Täter, der ohne Zweifel immer und in bedenklicher Konsequenz der Fremde ist, angesehen und mich erneut, auf meiner gegen jede Ihrer polemisch-polternden Einwände sehr wohl als berechtigt anzusehenden Kritik beharrend (als Ihr warnender Dramaturg gewissermaßen – gestern schriebe ich noch Schutzengel), gegen Ihre theatralischen Unbedachtheiten und gegen Ihr, sagen wir es gelinde: naives Politisieren zu Wort gemeldet hätte.

Nein, Theaterdirektor Buurmann, ich meine (auf den delikaten Fall Ihrer Sandhirne allerdings bald und gern zurückkommend) mit der besorgten Nachfrage nach Ihrem Aggressionspotential durch unmäßig ausgeschüttetes Adrenalin (Sie neigen zum Choleriker, oder?) den gestern bis Mitternacht erlebten Rhein in Flammen, der dem Kölner aufgrund einer bönnschen Anmaßung allerdings lediglich Licht zu nennen erlaubt ist – die „Kölner Lichter“ also meine ich.



Ich möchte mich nun Ihnen, Theaterdirektor Buurmann, hinsichtlich der gestrigen Ereignisse als einen Gleichgesinnten versichern und Sie, mich diesbezüglich rückversichernd, fragen, ob Ihnen das Kleingeistige dieser Veranstaltung – das dem gestern präsentierten kölschen Licht im Sinne des sprichwörtlich kleinen Lichts, das besser unter den Scheffel zu stellen gewesen wäre, eher Ehre machte – ebenso an die Nieren oder auf die Nerven ging? Dieses Kölner Gelichter? Von Ihrem Sack, auf den das, salopper formuliert, auch hätte gehen können, möchte ich allerdings nach der Eingangsszene Ihres Sand-Stückes nicht reden, sah ich das gemeinte Skrotum da doch verbal verunstaltet und unappetitlich werden – ich gestehe aber, dass ich unter dem Eindruck dieser nächtlichen Rhein-Veranstaltung mehr zu leiden hatte, als unter Ihren Ausfälle aufgrund meiner Kritik, die ich Ihnen wohl sehr zurecht habe angedeihen lassen. Diesbezüglich gestehe ich mit gewissermaßen romantischem Selbstbewusstsein: Was kümmert es den Mond, wenn ihn die Hunde anbellen!

Bezogen aber auf die „Kölner Lichter“ aber möchte und muss ich meine Klage nun spezifizieren.
Die Kaskaden von Feuer, die in den Himmel strebenden Glutzungen, die explodierenden Supernovae und den All-GAU antizipierenden Explosionen, die Großartigkeit aber auch dieses Feuergemäldes, das den Atem nimmt und den Verstand still stehen lässt, diese ans Apokalyptische mahnende halbe Stunde pyrotechnischer Hybris oder auch, jenseits einer solchen Endzeitmetapher, die expressionistische Gewaltigkeit dieser Feuerspielerei als ein technisches Meisterwerk, von einer Präzision, die jedem Luftangriff in diesem oder jenem Krieg hätte angeraten sei sollen (zumal auch Kollateralschäden ausblieben, will man etwaige Schlägereien, den ein oder anderen Vollsuff oder gelegentlich übergriffiges Verhalten im zwischengeschlechtlichen Bereich nicht dazurechnen) – die halbe Stunde des gestern bis Mitternacht erlebten Feuerzaubers also will ich nicht mit bloch‘scher Strenge hinsichtlich der die Sinne verwirrenden Gewaltigkeit dieses Kunstgebildes (erschrecken Sie nicht!) als faschistoid bezeichnen, ich will sie ungeschmälert achten und auch nicht mit dem adorno‘schen Verdikt kommen, dass so etwas nach Auschwitz politisch unkorrekt sei (wenn ich angesichts der Kosten dieses Spektakels mich aber doch scheue, mir die Menschen ins Gedächtnis zu rufen, die in den Mülleimern unserer Konsumgesellschaft nach ihrem Lebensunterhalt fahnden).

Nein, im Kleineren nur, im Kleingeistigen allerdings, im Unterbelichteten und letztlich auch in einem fern jedes künstlerischen Willens sich Entblößenden will ich meine Kritik an die gestrige Lichtveranstaltung gründen, auf Ihre Seelenverwandtschaft, Theaterdirektor Buurmann, in diesem Falle sehr hoffend. Lassen wir den Zauber des Feuerwerks also unbeschädigt – doch was diesem Dithyrambus aus Feuer und Rauch, Blitz, Knall und Knattern vor der Kulisse der Altstadt samt Dom von dem Veranstalter verbal unterschoben wurde, war mir (und ich hoffe auch Ihnen) Geschmacklosigkeit und Zumutung. Ich meine den sechsmal eingespielten Kommentar einer kölschen Slang-Stimme mit diesem trunkenen L und der Unfähigkeit zum SCH, dieses zu Feuerhagel und Sternenflug, zu pyromanischem Bombast vermittelte minderwertige Schulfunkwissen zum Thema: Die Evolution des Feuerwerks. Ach, Wikipedia war das fürs geistige Prekariat.

Ich spezifiziere: Auf das Feuer als das Übernatürliche verweisend, wollte man die Geschichte seiner Beherrschung in der Frühgeschichte der Menschheit beginnen lassen – der staunende Hörer sah sich daraufhin bei entsprechender Ping-Pong-Musik ins China das 11. und 12.Jahrhunderts versetzt, und man konnte vernehmen, dass das chinesische Feuerwerk heute noch ein Unübertroffenes sei. Das schmälerte dann sehr wohl das Staunen an dem hier und heute Präsentierten, schienen die „Kölner Lichter“ dem Texter dieser lexikalischen Eingebungen doch minderwertig. Gesagt aber war damit wohl das, was wir schon immer über China wissen sollten: das Reich der Feuerzauberer sei uns diese kommunistische Diktatur vor allem. Als der unwissende Kölner trotz alledem so richtig ins Staunen geriet und sich des pyrotechnischen Wunders erfreute, wusste der Kölsch Lallende dann zu berichten, dass im Europa des 14.Jahrhunderts das Feuerwerk bei Kirche und Machthabern jenseits der militärischen Nutzung als einschüchterndes Kunstmittel beliebt gewesen sei, denn man habe damit so richtig zeigen können, wie gottgegeben kirchliche und königliche Macht sei. Und so hätten die Herrscher des 17. und 18.Jahrhunderts auch kein Fest ohne ein gewaltiges Feuerwerk feiern mögen – Barockmusik stimmte dem lautstark zu und mir fiel wieder Bloch ein. Dann steuerte der Kommentar mit dem 19.Jahrhundert auf diese entsetzliche Erkenntnis zu:

„Die Zeit der Aufklärung schlug sich auf das Feuerwerk nieder und auch die Königshäuser mussten sparen!“

Die Gegenwart letztendlich bot noch einmal Gelegenheit zu einer sich den chinesischen Machthabern anbiedernden Lobhudelei hinsichtlich eines großen Feuerzaubers zur Eröffnung der anstehenden Olympiade in Peking, währenddessen Berlusconis Italien einen drauf kriegte: da sei ein Feuerwerk einfach nur zu laut, in Deutschland allerdings sei es ein technisch perfekt ausgeklügeltes und kalkuliertes Handwerk …

Da bin ich, Theaterdirektor Buurmann, gegangen und habe mir, an meinen Sinnen zweifelnd, die Reprise der „Kölner Lichter“ im Fernsehen angesehen, bald aber, da meine frühere Wahrnehmung sich nicht als Wahn herausstellte und benannter Kommentar keine Halluzination war, habe ich den Ton ausgedreht und – ja, Sie hören richtig: die Doors habe ich aufgelegt, Theaterdirektor Buurmann, ja die Doors! Einmal haben Sie meine wahren Leidenschaften erkannt und lagen nicht meilenweilt neben der Wahrheit – und dass macht mir nun den Mut, mich bezogen auf das gestrige Ereignis und seinen Peinlichkeiten mit Ihnen Hand in Hand zu glauben – enttäuschen Sie mich nicht, denn „Hand in Hand mit dir“ will ich mein Jahrhundert wohl in die Schranken fordern, ein Jahrhundert in dem solche „Kölner Lichter“ stattfinden – aber auch Ihre „Gehirne am Strand“, und da lassen Sie mich Ihr Gewissen, Ihr Mentor, Ihr Schutzengel sei. Zappeln Sie nicht, beneiden Sie mir nicht meine politische Vergangenheit, sehen Sie doch in meiner Geschichte als Altkommunarde eine wenn auch unfreiwillige Gemeinsamkeit: in dem von einem gewissen Ali Götz den 68ern nachgesagten faschistischen Handeln und Denken.

Doch als ein zu weites Feld das heute betrachtend, grüße ich Sie heute, Theaterdirektor Buurmann, in Frieden und Freude und herzlichst,

Ihr
Kriminalautor Schmiester,
der
PS: im Zweifelsfall daran denkt, Sie in seinem nächsten Krimi das Opfer sein zu lassen. Mithin: Gute Besserung!